Die Flut hat eingesetzt und die Wellen reichen hoch an den den Strand. Sie lässt sich zu Boden fallen, sitzt einfach da und sieht zu, wie das Wasser den Weg zu ihr bahnt, sie schliesslich erreicht und ihre Füsse umspielt... das Wasser findet immer einen Weg, lässt sich durch nichts aufhalten... sie wollte so gerne wie das Wasser sein, versuchte es so oft... doch sie kam nie an den Steinen vorbei, die in ihrem Weg standen... sie konnte nicht einfach einen anderen Weg suchen... sie liess sich in gesicherte Becken lenken, von ihrem Weg abbringen... sie liess sich anpassen und verändern, so wie die andern sie haben wollten... und mit jeder Anpassung, jeder Veränderung starb ein Teil mehr von ihr, versiegte ein Teil mehr von ihr in der trockenen Erde... jetzt ist sie angepasst und so wie sie sein soll, wie alle es für rictig halten... immer höflich und lieb, stets ein Lächeln auf den Lippen... sie spricht den ganzen Tag über, all die nichtigen Dinge, die andere für wichtig halten... sie redet und redet, doch sie sagt nichts mehr... in ihr ist es still geworden, ist nichts mehr vorhanden... sie hat sich leergeredet und leergelächelt... Das Licht vom Festland strahlt immer heller zu ihr... wie ein fernes Versprechen, eine Verlockung für sie... lange sitzt sie da, starrt nur auf das Meer hinaus, auf das Licht... es kümmert sie nicht, dass die Wellen höher kommen, sie längst schon erreicht haben, ihre Kleider durchnässen... der Wind ist stärker geworden... zerrt an ihrem roten Haar, an ihrer Kleidung... er wird härter, nicht mehr so sanft und zärtlich... in dem Haus in der Ferne ist auch das letzte Licht verloschen... nur noch das Licht dort am Festland leuchtet ihr... lockt sie... Die Stille in ihr breitet sich aus... verbindet sich mit der Stille um sie herum... sie ist eins mit dem Wasser das sie umspült, eins mit dem Wind, der an ihr zerrt, eins mit der Dunkelheit um sie, in ihr... es scheint ihr als würde auch ihre letzte Kraft jetzt noch aus ihr fliessen, ins Wasser, in den Wind und in die Dunkelheit... jetzt ist wirklich nicht mehr da... die vielen Fragen, die sie oft quälten, nach einem Sinn, einer Regel... die vielen ungehörten Schreie, als die Zweifel... jetzt verhallt es für immer in der Leere und Stille in ihr... sie ist eins mit dem Wasser und will für immer dort sein... Langsam steht sie auf, die Wellen reichen ihr bereits weit über die Füsse hinauf, ihre nassen Kleider kleben schwer an ihr... Schritt für Schritt geht sie weiter... weiter auf das helle Licht zu, dass ihr vom Festland entgegenstrahlt... immer höher steigt das Wasser, doch sie kümmert es nicht... sie ist das Wasser und zum ersten Mal fühlt sie sich wirklich frei, als sie Schritt für Schritt, langsam, bedächtig immer weiter dem Licht entgegen geht... Langsam verlieren ihre Füsse den Halt am Boden... doch sie kümmert es nicht mehr, sie ist endlich frei... je weiter draussen sie ist, desto höher die Wellen, sie schlagen in ihr Gesicht... Doch sie kümmert es nicht mehr, sie ist endlich frei... keine Qual mehr... nie wieder Lächeln, nie wieder Lachen, nie wieder diese aufgesetzte Höflichkeit... nie wieder lächeln um nicht zu schreien... keine der Fragen wie jemals sie wieder quälen... es kümmert sie nicht mehr, sie ist frei, bereit für die Ewigkeit... Und im nächsten Moment ist ihr die Ewigkeit ganz nahe, sie ist bei ihr, umschliesst sie sanft, hält sie und wiegt sie, zeigt ihr all die Antworten, die sie stets suchte und doch nie fand. Für diesen Moment sind all die Fragen geklärt, alle Mysterien dieses Lebens legen sich ihr offen dar, alle Unwissenheit, die jemals sie quälte, jede Unwissenheit, jeder ihrer verzweifelten Schreie nach einer Antwort, einer Regel, einer Ordnung in all diesem Chaos um sie, einem Sinn hinter all diesem Leid und der Traurigkeit, die sie fühlte, die andere fühlten, durch ihre Schuld... | ![]() | ![]() | ||||
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Leise zieht sie die Tür hinter sich ins Schloss...
keiner
soll aufwachen im Haus, keiner soll Fragen
stellen, wo sie
hingeht um diese Zeit, was sie machen wird, wann
sie
heimkommen wird... lauter Fragen, auf die sie
selber keine
wirkliche Antwort weiß und vor allem keine, die
die anderen
wirklich hören wollen würden... sie lauscht einen
Moment,
doch im Haus bleibt alles still, nicht einmal der
Hund ist
aufgewacht...
Die Häuser sind allesamt dunkel, alles hier
schläft schon
längst.... keiner sieht sie, als sie langsam die
Strasse
hinuntergeht, aus dem Licht der Laternen
verschwindet und
mit der Dunkelheit verschmilzt...
Leise, ausgestorben, liegt der Park vor ihr, von
dem
geschäftigen lärmenden Treiben am Tag ist nicht
mal mehr
eine Ahnung vorhanden... eine wundervolle Stille
breitet
sich aus, selbst die Seevögel, die tagsüber
unentwegt
schreien, sind nun verstummt... nur das leise
Rascheln der
Blätter im Wind ist zu hören und in der Ferne das
Rauschen
der Wellen, die an den Felsen zerschellen... die
Luft, der
Wind ist warm und trägt den salzigen Duft des
Meeres zu
ihr... sanft spielt er mit ihrem roten Haar,
sanfter als
jede Menschenhand es könnte, streicht er sanft
darüber,
zärtlich fast tröstend fühlt es sich an... alles
hier ist so
wunderschön und friedlich... sie möchte am
liebsten lachen
und weinen und schreien, alles auf einmal... sie
möchte die
Schönheit dieses Moments in sich aufnehmen, tief
in sich
erfassen, sie mit allen Sinnen fühlen und ein
Stück davon
für immer in sich behalten... sie möchte es
fühlen, möchte
endlich fühlen... weinen... lachen...
doch ihr Gesicht ist versteinert und ihre Gefühle
und ihre
Seele ebenso...
Den ganzen Tag über hat sie gelacht und gelächelt,
hat Spass
gemacht mit ihren Kameraden, hat sich mit ihren
Lehrern
unterhalten und den Leuten bei denen sie wohnt...
Immer
höflich, lieb und zuvorkommend, wie man es von ihr
gewohnt
ist und erwartet... bloss nicht mehr auffallen,
den Leuten
bloss nicht noch mehr Grund zum tuscheln geben,
darüber wie
sie aussieht, was sie hört, was sie sagt, was sie
denkt...
Das Lächeln ist schon längst auf ihrem Gesicht
festgefroern,
sie setzt es schon automatisch auf, wenn jemand
anderes
anwesend ist, nur nicht mehr auffallen, keine
angriffsfläche
mehr geben... und je grösser der Drang in ihr ist,
einfach
loszuschreien, desto mehr lächelt sie, in der
Hoffnung, das
Lächeln wird alles verdecken...
und wirklich, das Lächeln beginnt den Schmerz zu
verdecken,
es versteckt ihn und mit ihm alle Gefühle,
Gedanken... und
jetzt, da sie das Lächeln endlich ablegen durfte,
ist nichts
mehr da... sie ist einfach nur leer, nichts ist
mehr da,
wenn sie die maske ablegt... sie ist nichts...
sie ist wie betäubt, keine Gefühle, nicht mal sich
selbst
fühlt sie mehr... doch ihre Füsse bewegen sich wie
von
selbst mit unglaublicher Sicherheit auf das Ende
des Parks
zu und steigen bedächtig die alten, ausgetretenen
Stufen zum
Strand hinunter...
auch hier ist alles leer und still und die
Dunkelheit ist
überall... in der Ferne brennt noch Licht in einem
Haus und
vom Festland strahlt ein helles Licht über das
Meer hierher,
wie ein verlockendes Verpsrechen...
Leiste knirscht der Kies unter ihren nackten
Füssen, als sie
über den Strand geht, das Knirschen und das
unentwegte
Rauschen der Wellen sind die einzigen Geräusche,
die sie
wahrnimmt... sie hört nicht mal mehr sich
selber... schlägt
ihr Herz noch? Atmet sie noch? Sie hört es nicht,
weiß es
nicht und es ist ihr egal...
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